Geschändete Holocaust-Ausstellung in Leipzig: Warum fahndet die Polizei nicht öffentlich?
Die Ermittlungen zu den Angriffen auf die Leipziger Holocaust-Ausstellung laufen seit vier Wochen. An eine Veröffentlichung der Überwachungsbilder vom Hauptbahnhof denken die Behörden vorerst nicht.
Von den Tätern gibt es offenbar noch immer keine Spur: Vor vier Wochen schändeten Unbekannte in Leipzig mehrere großflächige Porträts von Holocaust-Überlebenden. Sie waren Teil der Ausstellung „Gegen das Vergessen“, die aus Anlass des Holocaust-Gedenktages am Leipziger Hauptbahnhof eröffnet worden war. Doch obwohl der Polizei Aufnahmen von Tatverdächtigen vorliegen, ist der Fall nach Behördenangaben bisher nicht aufgeklärt. Auch eine öffentliche Fahndung nach den Schmierern kam bisher nicht in Betracht.
Noch vor Eröffnung der Foto-Installation waren in der Nacht zum 27. Januar im Bahnhofsgebäude mindestens zwei Bilder beschädigt worden, weitere sechs Fototafeln unmittelbar davor auf dem Willy-Brandt-Platz. Mit Permanent-Marker schmierten die Unbekannten unter anderem ein sogenanntes Hitlerbärtchen auf die Aufnahme eines Mannes, dessen Eltern im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau interniert waren und nach dem Todesmarsch in Mauthausen ermordet wurden. Der Tatzeitraum lag zwischen 1.53 und 2.15 Uhr. Wenige Tage später wurden in der Ausstellung im Bahnhofsgebäude erneut mehrere Porträts zerstört – und das trotz inzwischen erhöhter Polizeipräsenz.
Zwei Ermittlungsverfahren beim Staatsschutz
Gegenwärtig laufen im Hinblick auf diese Fälle bei der Staatsschutz-Abteilung zwei Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Volksverhetzung und Sachbeschädigung, teilte Polizeisprecherin Susanne Lübcke jetzt auf Anfrage der LVZ mit. „Weitere Einzelheiten hierzu werden mit Blick auf die laufenden Ermittlungen derzeit nicht mitgeteilt, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese durch eine entsprechende Auskunft zumindest behindert, wenn nicht gar beeinträchtigt oder vereitelt werden“, so die Sprecherin.
Doch warum fahndet die Kripo nicht öffentlich nach den Tätern? Bereits nach dem ersten Vorfall war bekannt geworden, dass Überwachungskameras zwei Verdächtige im Hauptbahnhof gefilmt haben. Nach Informationen der im Hauptbahnhof zuständigen Bundespolizei waren aufgrund einer besonderen Gefährdungslage für diese Ausstellung neben der ständigen Videoüberwachung weitere, speziell ausgerichtete Videokameras installiert worden. Zumindest eine abschreckende Wirkung entfaltete diese Observierung offenbar nicht.
Öffentliche Fahndung gilt als Ultima Ratio
Doch warum werden die Aufnahmen nicht genutzt, um mithilfe der Medien nach den Tätern zu suchen? „Eine Veröffentlichung der Videoaufzeichnung in Form einer Öffentlichkeitsfahndung ist an besondere rechtliche Voraussetzungen gebunden“, erklärte die Polizeisprecherin, „unter anderem das Vorliegen eines richterlichen Beschlusses“.
Es müsse hierbei „eine sorgfältige Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung und den schutzwürdigen Interessen der Gesuchten erfolgen“. Bevor die Behörden mit Fahndungsbildern an die Öffentlichkeit gehen, müssten zunächst „alle anderen polizeilichen Maßnahmen“ ergriffen werden. Dazu gehören etwa der Abgleich mit polizeilichen Datenbeständen und auch eine bundesweite polizeiinterne Fahndung.
Mehrere Monate können vergehen, bis die Polizei diese Ultima Ratio nutzt. Nach Fußballkrawallen bei Chemie Leipzig im Mai 2022 dauerte es vier Monate, bis sie im September Bilder von gesuchten Gewalttätern herausgab. Aber da ging es immerhin um 39 Tatverdächtige.